Interview mit Sat Hari Singh - Kundalini Yoga Lehrer
Lieber Sat Hari, du lehrst Kundalini Yoga und bist Gründer der Guru Ram Das Aquarian Academy, außerdem ehemaliger Geschäftsführer von Yogi Tea, der beliebten Teesorte, die in den 70er Jahren von Yogi Bhajan gegründet wurde. Stimmt es, dass du den Yogi Tea nach Deutschland gebracht hast?
Es gab ihn schon in Amerika und ich habe ihm dazu verholfen, dass er hier bekannt wurde. Wir hatten damals das Golden Temple Restaurant am Eppendorfer Baum und mussten noch einen anderen Businesszweig eröffnen, da wir sonst unseren Ashram nicht ernähren konnten. Dann hieß es – Sat Hari mach doch mal Yogi Tea und ich sagte nur Nein! (lacht). Wir haben damals für 1500 DM pro Monat Tee verkauft, davon konnte natürlich keiner leben. Dann habe ich gesagt, ich bleibe zur Hälfte im Restaurant und zur anderen Hälfte mache ich Yogi Tea. 1986 habe ich dann angefangen, die professionelle Seite von Yogi Tea in Deutschland aufzubauen.
Besteht das klassische Rezept des indischen Yogi Tea aus einer bestimmten Gewürzmischung?
Das behaupten immer einige Tee-Fachfirmen, aber in der Realität werden in der Ayurveda überhaupt keine Rezepte weitergegeben. Der Ayurvedische Arzt schaut dich an und je nachdem was du hast, verschreibt er zum Beispiel, eine Ingwerwurzel, fünf Esslöffel Kardamom und drei Teelöffel Zimt, es ist dein individuelles Rezept.
Als Yogi Bhajan (Kundalini Yoga Meister) in den Westen kam, brachte er das Rezept mit, weil er der Meinung war, die Leute brauchten etwas für die Nerven, für die Verdauung, den Kreislauf und natürlich ätherische Öle für die höheren Frequenzen. Und die Leute, die sich damit nicht so gut auskannten, behaupteten dann – das Rezept haben wir aus Indien, das gibt es da schon tausend Jahre. Das ist natürlich Quatsch. Jede indische Hausfrau hat ihr eigenes Masalarezept oder ihr eigenes Gewürzrezept und das ist in Indien die ayurvedische Tradition.
Betreibst du das Golden Temple Teehaus in der Grindelallee in Hamburg noch?
Die Leitung des Teehauses habe ich abgegeben, als wir vor fünf Jahren nach Boizenburg gegangen sind, wo wir die Guru Ram Das Aquarian Academy gegründet haben.
Seit wann praktizierst du Yoga?
„Ich weiß gar nicht wie viele Inkarnationen es sind, das habe ich nicht gezählt“ (lacht).
Aber in diesem Leben ist mir ungefähr 1979 der Himmel auf den Kopf gefallen. Damals kam bei mir ein anderes Körperbewusstsein auf, auch durch die Begegnung mit Frauen. Damals wurden über die Sannyasins viele Workshops und Seminare angeboten. Ich habe mit einer Frau in einer kleinen Wohnung in Hamburg Eimsbüttel gewohnt und sie ist jedes Wochenende auf ein Seminar gegangen. Wir hatten uns bei einem biologischen Land- und Gartenbauprojekt in Poppenbüttel kennengelernt. Sie trug Rot und es gefiel mir. Außerdem habe ich täglich ein paar Stunden bei meinem holländischen Lehrer Robert van Heeckeren gelernt. Das waren die Anfänge für mich.
… und Kundalini Yoga für dich entdeckt?
Nein, es war mehr das allgemeine Hatha Yoga. Kundalini Yoga habe ich anders entdeckt. Ich habe die Stadt verlassen und bin für ein Jahre mit einer Gitarre und einer schönen rosafarbenen Stoffjacke mit einem Regenbogen darauf durch Europa gereist. Dann kam die Frage auf – Gott, wo willst du mich eigentlich haben? Unsere Suche damals, also mit meiner Partnerin Sat Hari Kaur zusammen, führte uns nach Griechenland, wo wir eine Zeitlang lebten und immer wieder kamen die Fragen auf – wo wollen wir hin, wo ist unser Platz, unser spiritueller Ort? Es war dann der Guru Ram Das Ashram in der Isestraße, für Kundalini Yoga und Sikh Dharma.
Kannst du mir deine Kindheit beschreiben?
Ach, die war schön. Ich bin in Rostock geboren und meine Eltern sind 1952 rüber in den Westen über Hamburg nach Hildesheim und dann nach Bad Salzdetfurth. Das erste Mal, dass ich mich richtig an mich selbst erinnere, war, als ich mit vier oder fünf Jahren auf die Straße hinaus gegangen bin. Mit anderen Kindern haben wir auf einer Eisenstange beim Nachbarhaus gesessen und ich habe den denkwürdigen Satz gesagt – ich bin jetzt auch da. Das war der Beginn meiner Menschheitskarriere (lacht).
Würdest du sagen, dass du durch Kundalini Yoga auch deine Spiritualität entdeckt hast?
Nein. Die Spiritualität war schon immer da. Sie ist eine andere Bezeichnung für Gott. An sich ist das Wort ja nicht falsch. Zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben wurde ich mit der Nase draufgestupst und habe in einem besonderen Moment erfahren, dass ich eigentlich immer in einer Beziehung zu meinem höheren Selbst war, aber nicht bewusst. Und irgendwann wurde mir bewusst, dass ich doch immer in dieser Beziehung zu meinem höheren Selbst gestanden habe. Es gibt ein Bild dazu – wenn man ins Tal blicken möchte, muss man auf einen hohen Berg steigen. Erst von dort oben kann man das Tal sehen. Wenn man im Tal ist, sieht man es nicht.
In welchem besonderen Moment hast du erfahren, dass du schon immer in einer Beziehung zu deinem höheren Selbst warst?
Wie viele andere auch, lernte ich besonders durch Schmerzen und vor allen Dingen durch Krisen in Liebesbeziehungen. Wie mein kleiner 8 Monate alter Husky Hund, der voller Liebe auf Hundeweibchen zustürmte, so bin auch ich immer wieder in Beziehungen gestürmt, ohne mir vorstellen zu können, dass es mehr als den guten Willen und ein tiefes Gefühl braucht, um eine Liebe zu leben. So fühlte sich eine Beziehung für mich am Ende, wie ein tiefes Gefühl der Verlassenheit an, das in 1978 so tief wurde, dass nur etwas noch Tieferes mich auffangen konnte. Und das war, was ich als mein höheres Selbst oder Gott bezeichnete. Das Sprungtuch, das mich von den Tiefen auffing und mir die vertraute Nachricht übergab, dass wir schon immer vereint sind.
Was erhellt die Seele?
Die ist selbstleuchtend. Sie ist das immer währende Licht, sie ist der immerwährende Klang, sie ist das immerwährende Leben und die immerwährende Liebe. Da ist nichts, was hinzugefügt oder weggenommen werden muss.
Ja, aber es wird nicht immer erkannt.
Das ist dann wieder eine andere Sache. Das hat mit der Seele nichts zu tun, sondern mit dem Kopf. Der Kopf ist da ziemlich verbohrt, das stimmt. Die Seele ist ja einfach nur das Sein, das für ewig bleibt.
Welche Bedeutung hat das Wassermannzeitalter, in dem wir uns zurzeit befinden?
Es ist eine neue Frequenz, ein neues Leben. Mein Lehrer hat mal gesagt, es wird nichts bleiben, wie es ist. Wenn du nachts um zwei aufstehst und auf die Straße gehst, ist auch nichts so, wie es normalerweise ist. Du kannst auf dem Bürgersteig tanzen, und es umgibt dich eine Stille, die du sonst nicht wahrnimmst. Und wenn die Vögel etwas später anfangen zu singen, ist wieder alles anders und trotzdem ist es dieselbe Umgebung. So ist es mit dem Wassermannzeitalter auch. Es ist dieselbe Umgebung und trotzdem ist alles anders. Wir merken, wir werden durchgeschüttelt, auseinandergerissen, in eine größere Qualität hineingestellt.
Auch ohne die Pandemie …
Ja, das ist nur das Krönchen oben drauf.
Ich praktiziere ja selbst auch Kundalini Yoga und Singen ist ein wichtiger Teil davon. Ich finde, es ist ein guter Ausgleich zu den dynamischen Übungen.
Wir haben in unserem Jap Ji (Jap Ji ist ein Gebet zu Beginn des Sri Guru Granth Sahib, das als die heilige Schrift der Sikhs gilt), das wir morgens lesen, eine Stelle, – die übersetzt so viel bedeutet wie – Gott, wo bist du eigentlich? Dann antwortet er, sie, es: Da wo ich bin, da ist immer Musik oder sind Instrumente, dort sind immer große Symphonien, ein Orchester. Da singen alle, da singen Edelsteine, Planeten, die Engelchöre, die Zwerge, die Nymphen, die Steine, die Juwelen, da singen überhaupt alle. Da ist mein Ort, da bin ich zu Hause.
Yoga ist immer die Verbindung von Atma (die individuelle göttliche Seele) und Paramatma (die allumfassende göttliche Seele). Diese Verbindung kann man auch auf verschiedenen Ebenen herstellen. Im Körper gibt es sicherlich auch einige Möglichkeiten. Aber Singen ist eben die schönste.
Wie erreichst du persönlich inneren Frieden?
Innerer Frieden ist mit das Kostbarste überhaupt. Innerer Frieden ist nur bei Gott. Es gibt ja verschiedene Formen des göttlichen Bewusstseins. Das Leben selbst ist eine Form dieses Bewusstseins. Göttliche Liebe ist eine Form, und Freude ist auch ein Ausdruck davon. Durch alle diese Tore könntest du gehen und wenn du durchgegangen bist und nichts mehr brauchst, dann könntest du sagen, jetzt bin ich im inneren Frieden.
Was hat sich für dich verändert, seitdem du 2015 die Guru Ram Das Aquarian Academy gegründet hast?
Ich würde sagen, ich habe ein Zuhause gefunden. Wir haben sehr lange nach diesem Ort gesucht und ich darf heute das gesamte Dharma, das Yoga, dort verkörpern. Wir geben dort jeden Tag Kirtan, Sadhana (Sadhana ist Yoga und Meditation am frühen Morgen, wenn der Winkel der Sonne zur Erde am geeignetsten dafür ist).
Wir haben eine sehr große Bibliothek, falls überhaupt heutzutage noch jemand eine Bibliothek braucht (lacht).
Die Akademie ist ein Tempel in dem Sinne. 1997/98 hatte ich zu Yogi Bhajan gesagt, ich muss mit dem Yogi Tea Business aufhören, ich verdiene hier nicht genug. Ich muss jetzt einen Tempel bauen und mein eigenes Business gründen. Damals hatte ich noch den Elan, das zu tun.
Da sagte er zu mir als ich vor ihm saß und er auf einer Massagebank liegend von einer Masseurin massiert wurde, die extra von den Kanarischen Inseln gekommen war: Son, first of all – this is your business. Ich war fix und fertig. Die Gegenwart eines Meisters ist schwer auszuhalten, gerade wenn er direkt mit dir spricht. Und dann sagte er noch: You do not need to build a temple. Build a Gurdwara (Tor zum Guru). Are two hundred thousand bucks enough? Ich war ziemlich fertig mit den Nerven und bei meinem Abschied von Yogi Tea habe ich genau diese Zweihunderttausend Dollar bekommen und sie in die Akademie gesteckt.
Das ist eine tolle Geschichte. Es ist bestimmt eine große Veränderung, wenn man sein eigenes Projekt umsetzt und aufbaut.
Ich habe es immer geliebt, etwas aufzubauen. Wir haben immer versucht etwas zu verändern oder praktisch umzusetzen. Das war bei den Sikhs auch so, immer nach dem Motto „Schaffe, schaffe“, ob es jetzt das Tea House war oder das deutsche Yoga Festival oder jetzt die Akademie.
Guru Ram Das ist der Namensgeber der Akademie. Kannst du erklären, wer er ist?
Er ist der vierte Guru Nanak (Begründer des Sikhismus, der Religion der Sikhs) und war derjenige, der das Dharma auf die vierte Stufe, die Herzensebene gebracht hat. Er ist nicht nur eine historische Person gewesen. Wir können ihn auch als eine unpersönliche hohe Schwingungsqualität verstehen. Er ist Ram, das bedeutet die Einheit von Ra Ma, Sonne und Mond. Ram wird allgemein als Gott bezeichnet und heißt dienen. Guru bedeutet, vom Dunkel zum Licht. Übertragen heißt es, wenn du in der Lage bist, Gott in allem zu dienen, dann findest du einen Weg vom Dunkel zum Licht. Diese Qualität hat Kundalini Yoga, wenn wir sagen: Aad Guray Nameh, Jugaad Guray Nameh, Sat Guray Nameh, Siri Guru Devay Nameh. Das heißt so viel wie, wir verneigen uns vor dieser geistigen Kraft, dieser erhebenden Kraft, die wir in der Unendlichkeit und überall in den höheren Dimensionen ahnen können. Sie wirken auch im Hier und Jetzt, in diesen historischen Momenten. Guru Ram Das ist in diesem Dharma, diesem Yoga, die Anlaufstelle. Ich glaube es gibt auf allen Wegen diese Schnittstellen in der höheren Welt, die sozusagen die einzelnen Seelen betreuen. Die Menschen haben verschiedene Transformationsquellen. Persönliche und unpersönliche Quellen. Für uns ist es Guru Ram Das und wir meditieren auf Guru Ram Das und fühlen uns sehr verbunden mit ihm, das ist eine unserer Wurzeln zur spirituellen Welt.
Awareness is an inner journey. Wie erreiche ich mehr Awareness oder Bewusstsein im Leben?
Man kann es Bewusstheit oder Wachheit nennen. Immer wenn ich mit Leuten spreche und ihnen sage – steh doch mal morgens ein bisschen früher auf, dann höre ich oft – nein, ich muss ja schlafen. Dann sag ich – Buddha heißt ja auch nicht der Erschlafene, sondern der Erwachte. Awareness ist Erwachen und letztendlich erwacht man zur höheren Frequenz. Awareness ist dein Ankommen im Hier und Jetzt. Das kannst du erreichen, indem du durch Gespräche zuhörst oder Gott in allem siehst.
Letztes Jahr hast du deinen 70. Geburtstag gefeiert. Bist du zufrieden mit deinem Leben oder gibt es noch einen Wunsch, den du dir erfüllen möchtest?
Ich habe noch viele Wünsche. Ich möchte gerne ein Buch über das Wassermannzeitalter schreiben. Ich schreibe gerade noch an zwei anderen Büchern. Was wir erreichen können in diesem Leben, ist mit unseren kleinen Wünschen, Gottes Willen zu erfüllen. Mehr will ich nicht.